Legalisierter Raub. Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933 - 1945

Edmund Mosheim, Ausplünderung und Vernichtung

Die Familie Mosheim gehörte zu den ältesten jüdischen Familien Korbachs. 1883 wurde Edmund Mosheim in Korbach geboren. Er besuchte mit seinem Bruder Ludwig das „Fürstlich Waldecksche Gymnasium zu Corbach“ (heute „Alte Landesschule“). 1914 heiratete er Henriette Gompertz, nahm am Ersten Weltkrieg teil und erhielt für seinen Einsatz das Eiserne Kreuz 1. Klasse. Als Schwerkriegsbeschädigter (Lungenschuss) kehrte er nach Korbach zurück. Edmund Mosheim leitete nach dem Tod seines Vaters (1922) gemeinsam mit seinem Bruder die Baustoff- und Eisenwarenhandlung „Sally Mosheim“.

Die Ratsherrn der Stadt Korbach und die Gemeinderäte legten im Juli 1935 fest, nur noch Handwerkern Aufträgen zu erteilen, die grundsätzlich keine Geschäfte mit Juden machten. Damit wurde jüdischen Geschäftsleuten jegliche Lebensgrundlage entzogen. 1938 mussten die Brüder Mosheim ihr Geschäft aufgeben.

Durch die unmittelbar nach der Pogromnacht (9./10.11.1938) erlassene „Verordnung zur Ausschaltung der deutschen Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12. November 1938 erfolgte die endgültige Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage. Mit der Verordnung vom 03.12.1938 wurden alle Juden verpflichtet, ihre Betriebe zu verkaufen. Jüdische Geschäfte wurden geschlossen, nicht emigrierte Korbacher Juden - zum Zeitpunkt der Pogromnacht waren es noch 54 Personen - auf wenige so genannte „Judenhäuser“ konzentriert.

Für die Mosheimschen Häuser der Prof.-Kümmell-Straße 13 und 15 liegen Unterlagen vor, die eine Rekonstruktion des juristischen Ablaufs der „Arisierung“ ermöglichen. In Anwesenheit eines zur Beurkundung bestellten Beamten wurde im Oktober 1941 zwischen der Stadt Korbach und den Brüdern Mosheim ein Kaufvertrag über das Grundstück Professor-Kümmell-Straße 15 abgeschlossen.

Die Kaufsumme wurde auf ein Sperrkonto einer Devisenbank überwiesen, über das nur mit Genehmigung der zuständigen Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten in Kassel verfügt werden konnte. Am gleichen Tag „erwarb“ der Landkreis das Haus Nr. 13. Die Brüder Mosheim mussten wie alle jüdischen Eigentümer infolge der so genannten „Arisierung“ oder - wie es auch hieß - „Entjudung“ ihr Eigentum unter Wert verkaufen.

Edmund Mosheim mit Tochter Elionore vor der Eisenwarenhandlung in der  Professor-Kümmell-Str. 15 (Foto: Stadtarchiv Korbach)

Zu spät erkannte Edmund Mosheim, dass er Deutschland schnellstens verlassen müsse. Freunde leiteten noch die Auswanderung in einen südamerikanischen Staat in die Wege. Er entrichtete die „Reichsfluchtsteuer“, aber es war zu spät. Ein Funkspruch verschloss allen in Deutschland verbliebenen Juden die Ausreise.

Mitte 1941 wird Heydrich beauftragt, „alle erforderlichen Vorbereitungen für die Gesamtlösung der Judenfrage“ zu treffen. Die Eheleute Edmund und Henriette Mosheim wurden am 06. September 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Bis zum Ende des Jahres war bereits jeder fünfte Deportierte des Regierungsbezirks Kassel tot.

 

Gleichzeitig mit der Deportation bereitete das Oberfinanzpräsidium in Kassel die Enteignung vor. Mit der rechtlichen Konstruktion der XI. Verordnung vom November 1941 wurde die zwangsweise Verschleppung u.a. nach Theresienstadt, Auschwitz oder Treblinka als Auslandsverlagerung deklariert, die es ermöglichte, den Deportationsopfern im Sinne der „Reichsfluchtsteuer“ ihren Besitz zu rauben. Vor dem Abtransport (Sept. 1942) in die Konzentrationslager wurden die Betroffenen auf Wertgegenstände untersucht und ihrer letzten Habe beraubt. Akribisch wurde der Gesamterlös des eingezogenen Vermögens durch das Oberfinanzpräsidium in Kassel vermerkt.

Auflistung des Oberfinanzpräsidiums in Kassel: Der Name Edmund Mosheims (Nr. 40) findet sich unter Nr. 40 wieder. Vermerk: „Im September 1942 zwangsweise ausgesiedelt“.“ „Dazu tritt ein Gesamterlös aus Verkauf von Hausrat pp. […]“. (Stadtarchiv Kassel)

Edmund und Henriette Mosheim wurden am 09. Oktober 1942 von Theresienstadt nach Auschwitz gebracht. Man weiß nicht genau, wann Edmund und Henriette in Auschwitz eintrafen, sicher ist aber, dass sie aufgrund ihres Alters und von Edmunds Kriegsverletzung unmittelbar nach der An-kunft ermordet wurden.

 

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