Chronik der Judenverfolgung von 1938 - 1945
Die folgende Auflistung stellt eine Übersicht über die systematische Entrechtung, Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung in der Zeit von der Pogromnacht 1938 bis zum Kriegsende dar.
9./10. November 1938
Reichspogromnacht. Die jüdische Synagoge in Korbach wurde in der Pogromnacht (9./10. November 1938) durch einen gezielten Brand vernichtet. Die Zerstörung erfolgte nach Anstiftung und auf Befehl höherer Parteistellen, woraufhin ein Großteil der Synagogen in Deutschland angesteckt wurden.
Blick vom St. Kilian am Morgen des 10. Novembers 1938 zeigt den noch schwelenden Brand der Synagoge und jüdischen Schule.
12. November 1938
Verordnung über die "Sühneleistung der deutschen Juden" in Höhe von 1 Milliarde Reichsmark.
Verordnung zur "Wiederherstellung des Straßenbildes": Die am 9. und 10. November angerichteten Schäden müssen von den Juden selbst bezahlt werden. Verbot für Bürger jüdischen Glaubens, Kino, Theater, Konzerte, Ausstellungen, Zirkus oder ähnliche kulturelle Veranstaltungen zu besuchen.
15. November 1938
Mit Erlass vom 15.11.1938 wurden alle jüdischen Schulkinder der öffentlichen Schulen verwiesen. Angeblich – hieß es damals – könne es nichtjüdischen Schülern nicht zugemutet werden, mit Juden gemeinsam unterrichtet zu werden. Auch nichtjüdischen Lehrern sei es nicht zuzumuten, Juden zu unterrichten.
Waldeckische Landeszeitung, 15. November 1938
28. November 1938
Mit einer Polizeiverordnung wird die Bewegungsfreiheit der Juden beschränkt.
3. Dezember 1938
Einziehung der Führerscheine jüdischer Bürger. Verordnung über die Zwangsveräußerung jüdischer Gewerbebetriebe, Geschäfte usw. So genannte "Arisierung" oder "Entjudung" - jüdisches Eigentum muss zu einem Spottpreis verkauft werden, der Erlös wird auf ein Sperrkonto eingezahlt. Diese Vermögen werden im Krieg durch das Deutsche Reich konfisziert.
17. Januar 1939
Erlöschung der Zulassung von jüdischen Zahnärzten, Tierärzten und Apothekern
30. April 1939
Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden: Gesetzliche Vorbereitung zur Zusammenlegung jüdischer Familien in "Judenhäusern".
1. September 1939
Einmarsch deutscher Truppen in Polen (Beginn des Zweiten Weltkrieges). Beschlagnahmung der Rundfunkgeräte bei Juden.
12. Oktober 1939
Erste Deportationen von Juden aus Österreich und der Tschechoslowakei nach Polen
23. November 1939
Einführung des Judensterns im besetzten Polen
30. April 1940
In Lodz (Polen) wird ein erstes bewachtes Ghetto errichtet.
1. Oktober 1940
Bernhard Löwenstern, ehemals Schüler der Alten Landesschule, wurde am 1. Oktober 1940 in der NS-„Euthanasie“-Tötungsanstalt Brandenburg vergast. Er war zu diesem Zeitpunkt erst 25 Jahre alt.
22. Oktober 1940
Deportation der Juden aus Elsass-Lothringen, Saarland, Baden nach Südfrankreich - 1942 dann nach Auschwitz
Juni bis August 1941
Mit dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 beginnen zahlreiche Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung in den besetzten russischen Gebieten.
31. Juli 1941
Göring beauftragt Heydrich mit der Evakuierung aller europäischen Juden. Beginn der "Endlösung", das heißt die physische Vernichtung jüdischer Menschen.
1. September 1941
Einführung des Judensterns im Deutschen Reich ab dem 19. September für alle Juden vom sechsten Lebensjahr an.
3. September 1941
Erste Versuchsvergasungen in Auschwitz
23.-26. September 1941
1. Deportation der in Korbach verbliebenen Juden. 14 jüdische Bürger/innen werden zunächst nach Wrexen in eine Sammelstelle für Juden aus dem Raum Waldeck verbracht. Von dort später über Kassel u.a. in die Konzentrationslager Treblinka (Polen) und Theresienstadt (Tschechien) transportiert.
Die Spuren der Brüder Mosheim und ihrer Ehefrauen (Korbach, Professor-Kümmell-Straße) verlieren sich in den Konzentrationslagern von Theresienstadt und Auschwitz, nachdem man sich ihres Eigentums bemächtigt hatte. Ludwig Mosheim starb im Konzentrationslager Theresienstadt, seine Frau Feodora gilt im Osten als „verschollen“. Edmund und Henriette Mosheim wurden 1944 über Theresienstadt in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Ihr Schicksal endete aller Wahrscheinlichkeit nach in den Gaskammern von Auschwitz.
Ludwig Mosheim
14. Oktober 1941
Erste Deportationsbefehle für deutsche Juden aus dem "Altreich".
23. Oktober 1941
Auswanderungsverbot für Juden
Oktober bis November 1941
Judenvernichtung in ganz Südrussland
25. November 1941
Verordnung über die Einziehung jüd. Vermögens bei Deportation
20. Januar 1942
"Wannsee-Konferenz" über die Deportation und „Vernichtung“ der europäischen Juden
26. März 1942
Kennzeichnung jüdischer Wohnungen im Reich
24. April 1942
Verbot der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel durch Juden im Reich
30. Juni 1942
Schließung der jüdischen Schulen im Deutschen Reich
4. Juli 1942
Beginn der Massenvergasungen in Auschwitz
Juli 1942
Deportation der letzten Korbacher Juden. Anfang Juli lebten noch 17 Bürger jüdischen Glaubens in Korbach. Davon wohnten allein acht in der Kirchstraße 13. Mitte Juli wurden sie zunächst nach Kassel und von dort mit dem dritten und letzten Transport am 7. September 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt (Tschechien) verschleppt. Korbacher Nazis hatten ihr Ziel erreicht: Ihre Stadt war „judenfrei“.
20. Juli 1944
Sowjetische Truppen befreien das KZ Majdanek.
1. November 1944
Himmler befiehlt, die Vergasungen in Auschwitz zu beenden und die Spuren zu verwischen.
27. Januar 1945
(27. Januar: Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus)
Auschwitz wird durch sowjetische Truppen befreit.
30. April 1945
Hitler begeht Selbstmord.
8. Mai 1945
Bedingungslose Kapitulation Deutschlands.
Nach Recherchen der „Arbeitsgemeinschaft Spurensuche“, sind von 154 - zumindest vorübergehend - in Korbach gemeldeten Bürgern jüdischen Glaubens zwischen 1933 und 1945:
60 ausgewandert,
12 in Korbach verstorben,
30 im Inland verzogen (über das weitere Schicksal liegen
keine Informationen vor),
52 in Konzentrationslager gekommen.
Davon sind 45 ermordet worden. Ihre Spuren verlieren sich in den „Euthanasie"-Tötungsanstalten, Konzentrations- und Vernichtungslagern von:
Brandenburg, Auschwitz, Majdanek/Lublin, Izbica/Sobibor, Theresienstadt, Treblinka, dem Ghetto in Riga oder gelten als „verschollen“ im Osten.
Nur 7 haben die Konzentrationslager überlebt.
© M. Lilienthal, 2009 |