Zwangssterilisierung

von Dr. Marion Lilienthal

Zwischen 1934 und 1945 wurden rund 400 000 Menschen  meist gegen ihren Willen sterilisiert. Der Widerstand gegen das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ war gering und fast nur in katholischen Kreisen merklich, da es im Widerspruch zur päpstlichen Enzyklika „Casti Connubii“ stand. Der „Waldeckische Pfarrerverein“, der sich in seiner jährlichen Hauptversammlung am 23. November 1933 im Evangelischen Gemeindehaus in Korbach  mit der Verhütung erbkranken Nachwuchses beschäftigte, bildete dabei keine Ausnahme.

„Die Verhütung erbkranken Nachwuchses“,  Waldeckische Landeszeitung vom 24.11.1933, Nr. 276

 


Im  Gegenteil, Referent Kreisarzt Dr. Vogt (aus Arolsen) ging das Gesetz nicht weit genug: „Die Krankheiten, die unter das Gesetz fallen, sind namentlich aufgeführt. Vom ärztlichen Standpunkt gesehen, könnten es noch mehr sein. […] Zu begrüßen ist eine weitere Bestimmung über die Entmannung der Schwerverbrecher:“[1] Und Redner Pfarrer Happich, Direktor der Heilanstalt Hepatha,  führt an, dass die „biologisch Minderwertigen“ sich in „unverantwortlicher Weise“ fortpflanzen. „Wenn freilich auch mit der sogen. Sterilisierung, die das Gesetz vorsieht, nicht alles erreicht werden kann, so läßt sie sich nicht umgehen“[2]. Zumindest „schloß sich eine rege Aussprache an“[3]

 

 

Schaubild aus dem Biologiebuch „Lebenskunde. Lehrbuch der Biologie für Höhere Schulen“, von Erich Meyer und Karl Zimmermann, 2. Aufl., Erfurt o.J. [verm.1938], S. 161 der Alten Landesschule Korbach.

 Zwangssterilisationen lagen angeblich in der Konsequenz der Geschichte. „Die Ausscheidung kranker und volksfremder Erbanlagen“ wurde legitimiert. Mittelstufenschülern wurde eingehämmert, dass die Erbgesetze der Nationalsozialisten nichts „Ungerechtes oder Grausames“ darstellen, „sondern vielmehr etwas höchst Segensreiches“, wie dieses Biologiebuch[4] bezeugt:

 

 Der Titel des Biologiebuches „Lebenskunde kommt schon einem Euphemismus gleich.

 Unmissverständlich wird in Schulbüchern, die in Korbach Verwendung fanden, vor der „Gefahr der Erbkranken“ gewarnt.  Der folgende Auszug wurde u.a. im Schuljahr 1942/43 im Unterricht der Alten Landesschule thematisiert.

 

 [1]  Waldeckische Landeszeitung vom 24.11.1933, Nr. 276.

[2] Ebd., zum Umgang der Kirche mit dem GzVeN und der NS-„Euthanasie“ siehe Kurt Nowak, „Euthanasie“ und Sterilisierung im „Dritten Reich“. Die Konfrontation der evangelischen und katholischen Kirche mit dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ und der „Euthanasie“-Aktion, Göttingen 1978.

[3] Waldeckische Landeszeitung vom 24.11.1933, Nr. 276.

[4] Lebenskunde. Lehrbuch der Biologie für Höhere Schulen, Band 3 (Klasse 5), von Erich Meyer und Karl Zimmermann, 3. Aufl., Erfurt 1942, S. 196.

 

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