Familie Goldwein

 

Goldwein, Moritz
geboren am 16. Februar 1884 in Breuna mit Rhöda / Wolfhagen / Hessen - Nassau
wohnhaft in Korbach
Deportationsziel: ab Kassel - Chemnitz
07. September 1942, Theresienstadt, Ghetto
09. Oktober 1944, Auschwitz, Vernichtungslager

 

Goldwein, Rosa Rosalie
geborene Schellenberg
geboren am 07. Juli 1883 in Neheim / Arnsberg / Westfalen
wohnhaft in Korbach
Deportationsziel: ab Kassel - Chemnitz
07. September 1942, Theresienstadt, Ghetto
09. Oktober 1944, Auschwitz, Vernichtungslager

Der letzte jüdische Lehrer war Moritz Goldwein, der am 16.02.1884 in Breuna geboren wurde. Die Familie Goldwein zog 1930 aus Wanne-Eickel nach Korbach und wohnte in der jüdischen Schule, im Tempel 5. Wegen sich radikalisierendem Antisemitismus ließ Moritz Goldwein seinen Sohn Manfred - schweren Herzens - 1938 in die USA emigrieren.

Es war das letzte Mal, dass er seinen Sohn sah. Vielleicht in Voraussicht kommender Ereignisse schrieb die Mutter diesen Brief an ihren geliebten Sohn:

 

 

„Mein lieber guter Junge!
Dieses Buch sende ich Dir durch eine gute Freundin, die immer gut und brav zu uns war und die uns in unserer Not und Bedrängnis immer treu zur Seite gestanden hat.
Meine Gedanken sind Tag und Nacht bei Dir mein lieber Junge. Vielleicht wenn uns der l[iebe] Gott am Leben lässt ist es uns vergönnt, dass wir noch mal wieder vereint sein können. Wenn es aber nicht sein soll, so möge Dich der l.[iebe] Gott in seinen Schutz nehmen. Bleibe weiter gut und brav wie Du es immer gewesen bist. Ich weiss, dass Du und alle unsere Lieben dort alles getan habt un[s] zu retten, aber das Schicksal wollte es anders. Du weißt, dass wir immer Gutes getan haben und in Gottes Wegen gewandelt sind. Vergiss uns nicht mein l. [ieber] Junge, wie auch wir Dich nie vergessen werden.
Nochmals bleib ein guter Mensch, tue Deine Pflicht. Grüsse alle unsere Lieben von uns.
Lebe wohl mein liebes Kind. Ich umarme Dich innigst
  Deine Mutter.“

 

Auszug aus: Meine Reise nach Stuttgart und U.S.A., Manfred Goldwein

 

Es sind die letzten Lebenszeichen der Mutter.

 

Wie Recht sie hatten, zeigen die weiteren Ereignisse. Am Abend des 9. November 1938 gingen das Schulgebäude und die Synagoge in Flammen auf.

Beide Familien – vom Feuer überrascht – waren durch die starke Rauchentwicklung besonders gefährdet. Man zerrte das Ehepaar Goldwein und die Hausmeisterfamilie Straus aus der Schule, stellte sie an den gegenüberliegenden Zaun, wo einige Passanten versuchten, sie „in den Hintern zu treten oder […] anzuspucken“. Alles unter den Augen der Öffentlichkeit.


jüdische Schule Abriss

Jüdische Schule nach der Pogromnacht, 10.11.1938

Wie einem Polizeibericht des Jahres 1953 entnommen werden kann, wurden die Ehepaare Goldwein und Straus „von der Volksmenge daran gehindert, das Haus zu verlassen. Diese beiden Familien wurden durch die Polizeibeamten Prager, Wolf und Stiehm aus ihrer höchsten Not befreit und […] in Schutzhaft genommen. Die Synagoge und das Schulgebäude brannten bis auf die Grundmauern nieder. Die Brandstelle war dauernd von einer größeren Volksmenge belagert. In der Zwischenzeit wurden immer wieder Ausschreitungen an jüdischen Häusern gemeldet […].“

Moritz Goldwein suchte mit seiner Frau Rosalia Obdach bei verschiedenen jüdischen Familien. Im Juli 1942 wurden sie, wie so viele andere Juden,  gezwungen, Korbach zu verlassen. Die Spur des Ehepaars Goldwein verliert sich im Vernichtungslager Auschwitz.

 

Kennkarte Goldwein Moritz

Mit der Verordnung vom 17. August 1938 erfolgte die Einführung der jüdischen Zwangsnamen „Sara“ bzw. „Israel“ (zum 01. Januar 1939). Neue Pässe mussten erstellt werden. Moritz Goldweins letzter Pass vom 17.01.1939 zeigt in  der Bildmitte unübersehbar das brandmarkende „J“ [für Jude], seinen rechten und linken Zeigefinger und den Zwangsvornamen „Israel“.

Heute steht an der Mauer des Kindergartens im Tempel 5 eine Tafel, die an die jüdische Schule und die Synagoge erinnern soll. Bürgermeister Wolfgang Bonhage sagte, man könne die dunklen Seiten unserer Geschichte nicht streichen. Um sie bewältigen zu können, müsse man erst darüber Bescheid wissen.

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